Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen.
Gemäß dem Martin Luther zugeschriebenen Satz zog dieser Tage ein Christenmensch aus, selbst ein Apfelbäumchen zu spenden. Weil er im Ortsteil Gonsenheim wohnt und ein Herz für Geflüchtete hat, fand er einen sonnigen Platz für sein Bäumchen im Garten der Housing Area Mainz-Gonsenheim, der größten Mainzer Unterkunft für Geflüchtete. Ganz ohne Eigennutz. Heißt: Ohne auf ein Blechschild zu bestehen, wie es an gestifteten Sitzbänken hängt.
Der gute Mann wandte sich hoffnungsvoll an einen Angehörigen der Mainzer Stadtverwaltung, einen Mitarbeiter des Sozialamts. Artig bat er um Erlaubnis für sein Vorhaben, wie es sich für einen lutherischen Christenmenschen gehört. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist! Nein, diesmal sagte das nicht Luther, sondern Jesus, aber in der Bibel-Übersetzung von Luther.
Der Mitarbeiter auf dem Sozialamt weiß offenbar nichts von Martin Luthers geflügeltem Wort. Oder gehört er im heiligen Mainz der „ordentlichen“, der römisch-katholischen Kirche an? Der Mann wies das Angebot des Christenmenschen ab. „Das Gelände der Housing Area“, beschied er, „ist eine Bundesimmobilie, die von der Stadt Mainz lediglich angemietet ist. Da die Nutzung des Geländes als Gemeinschaftsunterkunft dadurch begrenzt ist, sollte von der Pflanzung von Bäumen abgesehen werden.“
Der Christenmensch ließ jede Hoffnung fahren, auf dass ein Apfelbäumchen Zuversicht verbreiten möge im Garten der größten Mainzer Geflüchteten-Unterkunft. Doch das Schicksal ward gütig, sah es doch die Ehrenhaftigkeit des Unterfangens. Das Mainzer Grün- und Umweltamt fand einen schönen Platz für das Apfelbäumchen. So kann es gedeihen und einmal reichlich Früchte tragen.
(Martin Rupps)