Fast 40 Jahre ging er – wie 27.000 andere auch – durch seinen Wohnort Gonsenheim, ohne sein Augenmerk auf die unmittelbare Umgebung zu richten. Fast täglich kam er an einigen Beeten entlang der Breite und Jahnstraße vorbei, wo ihm Gras und Disteln bis unter die Augen wuchsen. Fast 40 Jahre ging das so. (Zumindest hatte sich keine andere Erinnerung in seinem Gedächtnis eingeprägt). Aber an einem Tage im Frühjahr 2019 konnte er – Helmut Seebach – einfach diesen Anblick als Dorfkind aus der südpfälzischen Provinz in der Mainzer Diaspora lebend, nicht mehr ertragen und er fragte per e-Mail beim Grünamt der Stadt Mainz wortwörtlich an, „ob er im öffentlichen Raum Unkraut jäten darf?“ 

Aus einer Patenschaft erwuchs inzwischen die Entwicklung, Arbeit und Pflege von sieben Beeten im öffentlichen Raum von Gonsenheim: das lange Beet an der Breite Straße, das Hügelbeet daneben, das Jahnstraßenbeet, die Steinmauer vor der Pfarrer-Grimm-Anlage, das Verkehrsinselbeet, das Heilkräuterbeet, das Schotter-Sukkulentenbeet beim Rheinhessischen Turnerbund. Die aktiven Mitglieder der sich „Grünfinger“ nennenden Gruppe sind: Gaby Leeser, Jan Hangen, Frank und Barbara Lampe, Margit und Jupp Weismüller, Beverly und Helmut Seebach. Interessierte und engagierte Mithelfer sind herzlich willkommen in der Gruppe.

Ein bestimmter Sachverhalt steht Im Mittelpunkt von Seebachs Aktivitäten: Die negativen Berichte über Sinn und Nutzen von Schotterbeeten. Gemeinden sprechen sogar Verbote von Schotterbeeten aus. Schotterbeetbesitzer befällt ein Gefühl der Scham und Verlegenheit und der Hilflosigkeit – was tun? Dieser Grundgedanke bewog ihn im vorletzten Jahr dafür in der Waldstraße 6 ein kleines Pflanz- und Gestaltungsprojekt zu starten auf einem Quadratmeter Schotterbeet: der Auftrag weniger Zentimeter torffreier Gartenerde und die darauf erfolgte Bepflanzung mit Sukkulenten, das sind Halbkakteen, die mit wenig Wasser auskommen. Inzwischen bilden sie ein blühfreudiges geschlossenes Kleinbiotop. Das ermutigende Ergebnis hat Seebach veranlasst, sich eines größeren Schotterfeldes anzunehmen, das sich bis vor einem Jahr noch zwischen dem Gebäude des Rheinhessischen Turnerbundes und dem der Turngemeinde Gonsenheim befand. 

Nun blüht es, brummt und summt es dort auch auf über 20 Quadratmetern, nachdem der Rheinhessische Turnerbund seine Zustimmung gegeben und seine Unterstützung zugesagt hat. Sein Vertreter Uwe Lammert überbrachte 14 Säcke torffreier Gartenerde, die die „Unterlage“ für die in der Südpfalz, im Rheingau und in Südtirol gesammelten Dickblattgewächse bildet. Doch nicht nur aus Gottes freier Natur stammten die fleischigen „Setzlinge“, auch der Gartenmarktleiter des Baumarktes Hornbach in Bretzenheim, Christoph Dos Santos, hat mit einer großherzigen Pflanzenspende das große Referenzbeet erst ermöglicht. 

Bemerkenswert dabei ist: weder die sonst übliche unterirdische Folie noch die Steine mussten entfernt werden, sondern verblieben an Ort und Stelle. Es wurde eine schnelle, leicht zu handhabende, billige und pflegeleichte Lösung gefunden, diese toten Flächen der Natur zurückzugeben und Nahrung für Insekten, insbesondere für Hummeln und Bienen, bereitzustellen.

Eine aktuelle Weiterentwicklung in der dritten Dimension dieses Grundprinzips stellen die sechs Steingabionen am Willy-Brandt-Platz dar. Ihre Umwandlung vom toten Steinkäfig mit jeweils 6 qm Grundfläche zum lebendigen Staudenhochbeet geschieht auf dieselbe Art: Aufbringung von Erde, Auspflanzen von Sukkulenten, geringe Pflege, wenig Gießen nach dem Anwachsen. Ein modellierter Rand aus Lehm entlang der Metallkante der Gabionen verhindert das Abschwemmen der Erde und hält das Gießwasser zurück.

Eine ganz andere Art Garten wurde von Anne Stege (Finthen) und ihren Mitstreiterinnen am Gesundheitszentrum etabliert: das erste beschriftete Heilkräuterbeet im öffentlichen Raum in Gonsenheim, vielleicht auch in Mainz. Es schmiegt sich in die Rad-Fußgänger-Verkehrsführung am Juxplatz harmonisch ein und ist rundum erlebbar, quasi von oben und von unten. 

Ein laufendes Projekt ist die Umgestaltung der Löwenzahnwiese an der Verkehrsinsel neben dem Kiosk. Sie wird Schritt für Schritt mit Frühjahrsblühern, Wiesenblumen und Stauden bestückt.

Letztes und das bestehende Ensemble der entwickelten Freiflächen abschließen wird die Entsiegelung des erhöhten Areals am Juxplatz und seine Umgestaltung in ein Urban Gardening Projekt. Helmut Seebach erwartet einen spannenden sozialen Prozess unter den Mitwirkenden bei diesem für Gonsenheim und Mainz außergewöhnlichen ökologischen Vorzeigeprojekt. Vielleicht gibt es doch noch eine Versöhnung zwischen den Gonsenheimern und der ihnen anvertrauten Natur ….

P.S. Wer Rat und Hilfe braucht bei der Umgestaltung seines Schotterbeetes oder seiner Gabione, möge sich bei Helmut Seebach unter bachstelz@t-online melden.

Mehr Fotos finden Sie in der Foto-Galerie.

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