Kommentar zu einem Gespräch mit Erzbischof Georg Gänswein in Wiesbaden

Er war einer Einladung des Presseclubs und der Casinogesellschaft in Wiesbaden gefolgt und machte während des Interviews aus seinem Herzen keine Mördergrube: Erzbischof Georg Gänswein, langjähriger Sekretär von Papst Benedikt XVI. (Die Verlagsgruppe Rhein-Main – Allgemeine Zeitung – berichtete am 19. Mai darüber.)

So mag es auch erlaubt sein, dass ich als einfacher Mitarbeiter im Bistum Mainz anderen Interessierten meine Meinung zu seinen Ausführungen kundtue. Zu Gänsweins Einlassungen zum Thema „Synodaler Weg“ in Deutschland, Zulassung von Frauen zum Weiheamt, Zölibatsverpflichtung für Priester u.a. fällt mir ein Text des früheren Frankfurter Pfarrers Lothar Zenetti (*1926 – † 2019) ein:
„Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Kirche.
Sie werden antworten: Die Messe.
Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Messe.
Sie werden antworten: Die Wandlung.
Sag hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist.
Und sie werden empört sein und sagen: Nein, alles soll so bleiben, wie es ist!“

KirchenbänkeUnser ganzes Leben – und damit auch das Leben unserer Kirche(n) – ist dem Wandel unterworfen. Es braucht Klärung – ja: auch Auseinandersetzung und (wenn es sein muss!) aufklärenden Streit. Die römisch-katholische Kirche – so wie sie sich heute darstellt (mit allen dunklen und abschreckenden Seiten, aber auch mit vielen nach wie vor gutwilligen und engagierten Mitchristen) ist nicht vom Himmel gefallen. Sie hat sich durch viele Jahrhunderte entwickelt, und sie wird sich weiter entwickeln.
Das „Bild von Kirche“ sieht in Afrika, Lateinamerika und Asien ganz anders aus als in Deutschland, Österreich, Schweiz. Und das ist gut so! Nicht zuletzt das II. Vatikanische Konzil hat zu diesen vielfältigen, unterschiedlichen Entwicklungen wichtige Impulse beigetragen.
Wenn sich ein Erzbischof Gänswein und andere geistliche Würdenträger in Rom anmaßen, den Dialogprozess in unserer deutschen Kirche zu verurteilen und bestimmte Anliegen mit „einer roten Karte“ zu versehen, zeugt das von einer maßlosen Selbstüberschätzung, weil sie Denkverbote erteilen und Diskussionen, die angeblich „den gesamten Glauben infrage stellen“, unterbinden wollen.
Solche Kirchenvertreter scheinen von allen guten Geistern verlassen zu sein; denn DER weht doch bekanntlich, wo er will, und lässt sich auch nicht von römischen Würdenträgern einsperren.
Wenn man aktuellen Berichten glauben kann, wird Gänsweins Weg ihn zukünftig zurück in sein Heimatbistum Freiburg führen. Noch weiß er allerdings nicht, welche konkreten Aufgaben auf ihn warten.
Es gäbe durchaus die Möglichkeit – so würde es Papst Franziskus formulieren – auch einen seelsorglichen Dienst an den „Rändern unserer Welt“ zu verrichten: z.B. in Kalkutta (Indien) oder in den vielen Slumgebieten unserer Erde – mitten unter den Ärmsten der Armen! Vielleicht würde es dem Heiligen Geist gelingen, ihn dort zu berühren und für das Leben, die Sorgen und Nöte der Menschen zu öffnen. Ich fürchte nur, sogar dem Wirken des Heiligen Geistes sind leider manchmal menschliche Grenzen gesetzt.

Hans-Peter Weindorf, Pfr.i.R., Saulheim
(der Autor war von 2006 bis 2021 Pfarrer in Mainz-Gonsenheim, St. Stephan, anschl. Pfarrvikar in der Mainzer Oberstadt)

Cookie Consent mit Real Cookie Banner