Über vergessene Diskussionen und vergessene Zusagen

Europakreisel

Denjenigen, die damals die Diskussion in der Presse verfolgt haben, als es um die Suche nach einem Standort für das neue Fußballstadion ging, sind sicherlich noch ein paar Diskussionspunkte im Gedächtnis geblieben, die das Ringen um die Entscheidungsfindung so zäh gestalteten. Und die Punkte, die den Standort am Europakreisel betrafen, scheinen bei der heutigen Diskussion keine Rolle mehr zu spielen, zumindest tauchen sie nicht prominent in der Berichterstattung der örtlichen Presse auf. Hier fassen wir ein paar der diskutierten Punkte zusammen.

Frischluftzufuhr für die Innenstadt
Einer der wichtigsten Ausschlusskriterien für eine Bebauung des Gebietes westlich der Universität war, dass die Frischluftzufuhr, von den „Hochebenen von Finthen“ kommend, zur Stadt gestört wird. Gerade in diesem Sommer merkten wir schmerzhaft, wie die Stadt aufheizt und die Hitze wie in einer Käseglocke gefangen war, so mancher Kreislauf wurde auf das Äußerste strapaziert. Jede auch noch so geringe Luftbewegung war willkommen. Dass die nächsten Sommer besser werden, ist zur Zeit nicht absehbar, der Klimawandel hat uns fest im Griff.

Wertvolle Ackerböden
Ganz aus dem Blickfeld verschwunden ist, dass mit einer Bebauung um den Kreisel wertvolle Böden verloren gehen. Schon bei der Vorbereitung zum Stadionneubau war es undurchsichtig, ob Landwirte ihr Land nicht verkaufen wollten, da es Grundlage ihres Schaffens war, oder doch eher Bodenspekulanten ihr Unwesen trieben. Tatsache ist, dass mit Böden und deren Verknappung viel Geld zu verdienen ist. Mit dem Ergebnis, dass selbst für Flächen, für die noch nicht einmal eine Bauerwartung zu erhoffen ist, die Preise ins Uferlose schießen. Vollerwerbslandwirte sind aber auf diese Böden angewiesen, damit sie lohnend wirtschaften können.

Eine vierte IGS
Seit langem ist schon klar, Mainz braucht eine vierte Gesamtschule, die Nachfrage ist enorm. Und wenn man sich die Verteilung der anderen Gesamtschulen (Bretzenheim, Hechtsheim und Oberstadt) anschaut, ist der Standort am Europakreisel als bestmöglicher Standort anzusehen. Von dort hätten die Stadtteile Finthen, Gonsenheim, Mombach und Drais besten Zugang. Durch die Mainzelbahn ist sogar der Lerchenberg bestens angeschlossen. Das stand so fest, dass selbst die Interimslösung im Heiligkreuzviertel den Namen „IGS am Eurokreisel“ trägt. Mittlerweile steht aber auch fest, dass es keinen Neubau am Kreisel geben wird, um Platz zu schaffen für den Biotech-Hub. Ebenso wird argumentiert, dass bereits 4 Millionen in die Zwischenlösung investiert wurden und dass nebenan ein „neuer Stadtteil“ entsteht. Weitere Überlegungen, die weit fortgeschritten sind, sind die, wie eine Anbindung an das Straßenbahnnetz aussehen kann, damit die Schüler aus dem Nordwesten der Stadt dort problemlos hinkommen können.

Der Biotech-Hub
Schon vor Corona war BioNTech auf Wachstumskurs. Neue Techniken zu körpereigenen, immunbasierten Therapien in der Krebsforschung waren mehr als vielversprechend. Der Impfstoff, den BioNTech produzierte, lieferte auch den Beweis für Möglichkeiten des neuen Verfahrens, und der Erfolg liefert auch das finanzielle Polster zum Wachsen. Dabei reichen die Liegenschaften „An der Goldgrube“ nicht aus, selbst das geplante neue Wohnquartier wurde verkleinert und brachte damit die Flächen am Eurokreisel ins Gespräch. Für viele Start-Ups in der Branche fehlt es vor allem an Laborflächen. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt nicht zu klein denkt.

Hochschulerweiterung
Und dann gibt es noch die Fachhochschule. Seit vielen Jahren wurde der FH versprochen, einen Ersatz für den Standort in der Rheinstraße zu schaffen und so alle Fachbereiche in der Lucy-Hillebrand-Straße zu vereinen. Bei einer Veranstaltung der FH in dem alten Gebäude nach dem aktuellen Planungsstand gefragt, kam nur ein müdes Lächeln, keiner glaubte mehr an eine zeitnahe Lösung. Im Wettkampf um die besten Köpfe, sowohl bei den Lehrenden wie auch bei den Studierenden, das sind keine guten Voraussetzungen. Die Johannes Gutenberg Universität wird, wenn die neue Mitte im Campus fertiggestellt ist, auch Begehrlichkeiten äußern. Das wiederum spricht aber auch für eine Ansiedlung universitätsnaher Unternehmen.
(TB)

Begriffserklärungen

BioNTech ist eine Forschungseinrichtung und der Hersteller des Impfstoffes mit Hauptsitz in Mainz
Biotech ist die Abkürzung für Biotechnologie
Hub (englisch hub ‚Nabe‘) steht für ‚Knotenpunkt‘, in unserem Sinn ist damit gemeint, die Stadt möchte eine Ansammlung von Biotech-Firmen und -Forschungseinrichtungen, die sich dann gegebenenfalls ergänzen oder zusammenarbeiten. Mainz wäre damit ein Zentrum für Biotechnologie.

 

Cookie Consent mit Real Cookie Banner